Theorie: Funktionsverbgefüge (FVG)
Verstehe, was FVG sind und warum sie im Deutschen so wichtig sind.
Ein Funktionsverbgefüge (FVG), auch "Nomen-Verb-Verbindung" genannt, ist eine feste Kombination aus einem Verb und einem Nomen. Das Besondere daran ist, dass das Verb (das "Funktionsverb") seine ursprüngliche, wörtliche Bedeutung weitgehend verliert. Es dient primär der grammatischen Funktion – es trägt die Informationen zu Zeitform, Person und Modus.
Die eigentliche Bedeutung der Handlung steckt im Nomen. Oft werden sehr allgemeine Verben wie 'bringen', 'kommen', 'stellen', 'nehmen' oder 'üben' als Funktionsverben verwendet. Man sagt, das Verb wird semantisch "entleert" oder "gebleicht".
Beispiel: einen Antrag stellen. Hier bedeutet 'stellen' nicht, etwas physisch irgendwohin zu stellen. Die gesamte Handlung des 'Beantragens' steckt in der Kombination. Das Nomen ('Antrag') trägt die Hauptbedeutung.
Funktionsverbgefüge sind ein Kennzeichen des formellen und schriftlichen Deutsch. Man findet sie sehr häufig in der Verwaltungssprache ("Amtsdeutsch"), in der Wissenschaft, in den Nachrichten und in der Geschäftskommunikation. Sie ermöglichen es, Handlungen und Prozesse abstrakter und präziser auszudrücken.
Die Kenntnis von FVGs ist entscheidend, um Deutsch auf einem hohen Niveau (B2/C1) zu verstehen und selbst elegant und angemessen zu formulieren.
Einfaches Verb:
Er entscheidet.
Funktionsverbgefüge:
Er trifft eine Entscheidung.
Einfaches Verb:
Sie beantragt etwas.
Funktionsverbgefüge:
Sie stellt einen Antrag.
Einfaches Verb:
Das beeinflusst mich.
Funktionsverbgefüge:
Das übt Einfluss auf mich aus.
Einfaches Verb:
Man kritisiert das Projekt.
Funktionsverbgefüge:
Man übt Kritik am Projekt.
1. Feste Präpositionen
Viele FVGs haben eine feste Präposition, die ein Objekt einleitet. Diese Präposition bestimmt den Fall (Dativ oder Akkusativ) des Objekts. Diese Kombination (FVG + Präposition) muss man wie eine Vokabel lernen.
Beispiel 1: Einfluss nehmen auf + Akkusativ. → Die Regierung nimmt Einfluss auf die Wirtschaft.
Beispiel 2: einen Beitrag leisten zu + Dativ. → Er leistet einen Beitrag zu dem Projekt.
2. Nomen als Objekt
Sehr oft ist das Nomen innerhalb des FVG selbst ein Akkusativobjekt für das Funktionsverb. Dies ist ein wichtiger Hinweis zur Identifizierung eines FVG.
Beispiel: eine Entscheidung treffen (Wen oder was treffen? → eine Entscheidung)
3. Satzbau (Verbklammer)
Das Funktionsverb wird konjugiert und steht an der üblichen Position im Satz (z.B. an zweiter Stelle im Hauptsatz). Das Nomen und eventuelle andere Satzteile stehen oft am Ende des Satzes, kurz vor dem zweiten Teil der Verbklammer (falls vorhanden).
Präsens: Er trifft heute eine wichtige Entscheidung.
Perfekt: Er hat gestern eine wichtige Entscheidung getroffen.
Futur I: Sie wird morgen einen Antrag auf Urlaub stellen.
Modalverb: Man sollte bei diesem Thema Vorsicht walten lassen.
Nebensatz: ..., weil er eine Entscheidung treffen muss.
1. Nomen nicht im Akkusativ
Bei einigen FVGs, vor allem mit Verben wie "stehen", "sein" oder "kommen", ist das Nomen kein Akkusativobjekt. Es ist stattdessen oft Teil einer Präpositionalergänzung.
Beispiel: zur Verfügung stehen. Hier ist "zur Verfügung" eine feste adverbiale Bestimmung des Ortes. (Wo steht es? → zur Verfügung)
Weiteres Beispiel: in Frage kommen. (Wohin kommt es? → in Frage)
2. FVG als Passiv-Ersatz
Einige Funktionsverbgefüge, oft mit Verben wie "kommen", "gelangen" oder "finden", haben eine passive Bedeutung. Sie sind eine elegante Alternative zum Passiv mit "werden".
- FVG: Der Plan kommt zur Ausführung. → Passiv: Der Plan wird ausgeführt.
- FVG: Die Methode findet Anwendung. → Passiv: Die Methode wird angewendet.
- FVG: Das Projekt gelangt zum Abschluss. → Passiv: Das Projekt wird abgeschlossen.